Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates spricht sich mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen im Interesse der Meinungsäusserungsfreiheit dafür aus, dass öffentliche Aufrufe zum Ungehorsam gegen militärische Befehle, Dienstverletzungen, Dienstverweigerung oder zum Ausreissen nicht mehr strafbar sein sollen. Die Kommission behält sich jedoch vor, in einer zweiten Phase die Frage der Strafbarkeit im Aktivdienst (Artikel 98 MStG) noch näher zu prüfen.

Die Kommission stellt fest, dass Artikel 276 des Strafgesetzbuches und Artikel 98 des Militärstrafgesetzes in der heutigen Form nicht mehr zeitgemäss sind. Anders als bei der Schaffung des Strafgesetzbuches im Jahr 1937 existiert heute ein ziviler Ersatzdienst. Die fraglichen Bestimmungen kommen denn auch kaum mehr zur Anwendung. Die Kommission hat sich nun mit der von Ständerat Zopfi eingereichten parlamentarischen Initiative 21.464 («Anpassung von Artikel 276 StGB und Artikel 98 MStG an die heutige Realität zur Stärkung der Meinungsäusserungsfreiheit») befasst. Diese fordert, die entsprechenden Straftatbestände dahingehend zu modifizieren, dass der blosse Aufruf zu Ungehorsam gegen militärische Befehle, Dienstverletzungen, Dienstverweigerung oder zum Ausreissen künftig nicht mehr strafbar ist. Anders als der Vorentwurf des Bundesrates zur Vorlage der Harmonisierung der Strafrahmen aus dem Jahr 2010 (Vernehmlassungsvorlage), welcher noch eine Aufhebung der fraglichen Artikel vorgesehen hatte, soll an der Strafbarkeit der «Verleitung» von Dienstpflichtigen zu solchen Handlungen jedoch festgehalten werden.

Notariatsdigitalisierung: Kommission für Dezentralisierung

Die Kommission hat sich bei der Detailberatung des Notariatsdigitalisierungsgesetzes (21.083) mit 7 zu 5 Stimmen dafür ausgesprochen, dass die Kantone und nicht der Bund das künftige elektronische Urkundenregister betreiben sollen. Im Weiteren ist sie der Auffassung, dass die Erstellung einer elektronischen Urkunde für letztwillige Verfügungen der Zustimmung der betroffenen Person bedarf. Die Kommission wird die Detailberatung an ihrer nächsten Sitzung abschliessen.

Zivilprozessordnung: Kommission bereinigt Differenzen

In der Sondersession schuf der Nationalrat zahlreiche Differenzen im Entwurf zur Änderung der Zivilprozessordnung (20.026). Es handelt sich in erster Linie um eine Reihe von Klarstellungen, die nach zehn Jahren Praxis notwendig wurden, sowie um eine Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes für Einzelpersonen.

Der Nationalrat hatte abweichend vom Ständerat entschieden, den Kantonen auch weiterhin die Möglichkeit einzuräumen, im kantonalen Recht vorzusehen, dass die Verfahren auf Englisch bzw. in einer anderen Landessprache durchgeführt werden können. Die Kommission hat mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten beschlossen, in diesem Punkt dem Nationalrat zu folgen. Sie ist der Auffassung, dass so die Autonomie der Parteien erhöht und die wirtschaftliche Attraktivität der Schweiz gewährleistet werden kann. Die Kommission weist zudem darauf hin, dass es einzig und allein darum geht, den Kantonen die Möglichkeit zu geben, ein solches System einzuführen, sie aber nicht dazu verpflichtet werden sollen. Die Kommissionsminderheit ist der Meinung, dass diese Regelung den nationalen Zusammenhalt gefährden würde, weshalb sie den Beschluss des Ständerates unterstützt.

Die Kommission spricht sich in Bezug auf die Tätigkeit eines unternehmensinternen Rechtsdienstes dafür aus, dass ein Verweigerungsrecht in den Entwurf aufgenommen wird. Wie der Nationalrat hat auch sie beschlossen, ein System vorzusehen, in welchem das Gegenrecht keinen Platz hat. Anders als der Nationalrat hat die Kommission jedoch entschieden, die Verfahrensregeln zur Mitwirkungsverweigerung und zu den Prozesskosten entsprechend ihrem ursprünglichen Beschluss zu präzisieren. Der Ständerat wird den von der Kommission verabschiedeten Entwurf in der Herbstsession beraten.

Weitere Geschäfte

Die Kommission hat überdies beschlossen, die Beratung der Motion Streiff 19.4594 («Kreislaufwirtschaft. Längere Gerätelebensdauer durch längere Garantiefristen») vorläufig zu sistieren, um den Bericht des Bundesrates in Beantwortung des Postulats Marchand-Balet (18.3248) abzuwarten. Aus Zeitgründen musste die Kommission zudem diverse traktandierte Geschäfte auf eine ihrer nächsten Sitzungen verschieben (22.3003, 21.2011, 22.3381, 20.034 und 21.3180).

Die Kommission hat am 30. Juni und 1. Juli 2022 unter dem Vorsitz von Ständerat Carlo Sommaruga (SP, GE) in Bern getagt.